Kirchgemeinde Grimma
GEISTLICHER IMPULS
Liebe Gemeinde,
jeder bibelfeste Christ kennt den Namen Nikodemus. Er begegnet uns im Neuen Testament dreimal. Das erste Mal schildert der Evangelist Johannes, wie der Schriftgelehrte Nikodemus Jesus nachts besucht (Johannes 3, 1-21).
Das Gespräch mit Jesus blieb offenbar nicht ohne Folgen. Nikodemus war beeindruckt. Es wird geschildert, wie er Jesus in einer theologischen Besprechung mit seinen Kollegen in Schutz nimmt (Johannes 7, 40-52).
Nach Jesu Tod nimmt er den Leichnam – gemeinsam mit Joseph von Arimathäa – vom Kreuz, salbt ihn und gibt ihm eine würdige Bestattung.
Wenige Zeilen in der Bibel – das wars. Doch in frühchristlicher Zeit entsteht ein Nikodemus-Evangelium. Hat dieser Text unseren Nikodemus als Verfasser? Es ist nicht wahrscheinlich. Aber schon durch den Titel wird bezeugt, dass sich dieser theologische Nachtschwärmer großer Verehrung erfreute, bis ins Mittelalter:
Von dem anonym gebliebenen Mönch von Salzburg (zweite Hälfte des 14. Jhs) ist eine Vertonung der Passionsgeschichte erhalten, die sich auf die Vorlage des Nikodemus – Evangeliums stützt. Es handelt sich um die älteste bekannte Passions-Vertonung in deutscher Sprache.
Sie wird in Grimma zu hören sein:
am Karfreitag, dem 18. April erklingt um 15 Uhr in der Frauenkirche Grimma die „Nikodemus-Passion“ des Mönchs von Salzburg. (siehe Plakat Rückseite)
Ich habe mich schon lange gefragt: warum kam Nikodemus eigentlich nachts? Hatte er Angst, dass seine theologischen Kollegen den Besuch nicht gutheißen würden? Eins jedenfalls kenne ich aus eigener Erfahrung: Dunkelheit, vielleicht vom sanften Licht einer kleinen Flamme erleuchtet, ist für viele existentielle Themen eine Gesprächshilfe. Es ist, als würde durch die Undeutlichkeit der Umgebung ein inneres Auge geöffnet.
Sollten Sie einmal nachts nicht schlafen können, so ist das vielleicht geschenkte Zeit, um über das Alltägliche hinweg auf Grundsätzliches zu schauen, einmal nachzudenken über Gott und die Welt. Allein oder im Gespräch zu zweit. Ich wünsche Ihnen dafür ein offenes inneres Auge.
Ihr Kantor Tobias Nicolaus